Christian Boltanski – art das Kunstmagazin (1/2020)

Christian Boltanski – Portrait sur une rétrospective (Paris)

Christian Boltanski, Monumenta, Grand Palais, Paris
Christian Boltanski, Monumenta, Grand Palais, Paris

Zum Glück für die Kunst und ihre Welt gehört Christian Boltanski nicht zu den Artisten, der bei dem Kunstinteresse heuchelnden nouveau riche milieu auf Begierlichkeit stösst. Dazu sind seine Werke zu anspruchsvoll, zu intellektuell und von einem künstlerischem Niveau, das seinesgleichen sucht ….
 

Paris –  Grand Palais – Monumenta

Seinerzeit, das war 2010,  schuf der grosse contemporäre französische Künstler mit seiner Installation Personnes (Monumenta) –  Commissaire Catherine Grenier –  https://www.grandpalais.fr/node/4763   ein riesiges Terrain für das Gewissen und die Erinnerung. Zum richtigen Zeitpunkt, in den frühen Tagen des Januar, verwandelte Boltanski das Innere des Pariser Grand Palais zu einem Hort des nachdenklichen Schauderns – Associationen an Flucht, Vertreibung, und Gedanken an den Holocaust waren nicht abwegig. Die klirrende Kälte in dem historischen Gebäude nahe der Seine unterstrich die Empfindungen.

Allerdings ist es nicht Christian Boltanski`s Part, eventuell als Lehrer, Mahner oder Kläger aufzutreten. Dass ihm allerdings das Thema Erinnerung versus Vergessen sehr nahe ist, reflektiert Nachwirkungen des durch die Deutschen okkupierten Paris, auch wenn seine Geburt das Jahr 1944 betraf. Es sind die Erlebnisse, die Erfahrungen und die Erinnerungen.
 
Christian Boltanski, Monumenta, Grand Palais, Paris
Christian Boltanski, Monumenta, Grand Palais, Paris
 
Seine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gilt der Frage nach Existenz, ihrer Dauer – von dem fahrlässigen Wunsch nach Unendlichkeit des Seins und dem, was viele berührt oder nicht loslässt: Danach ? Die Obsoleszenz.
 

Œuvre – Intention

Vielmehr fordern – gar provozieren – seine doch tief versinnlichten Lebensäusserungen in Form der Œuvre die Betrachterinnen und Betrachter zu einer Auseinandersetzung mit ihm , seinen Erlebnissen und Gefühlen auf – und zwangsläufig bis konsequent mit sich selber.
Boltanski, nie ein Heimzahler, kein Prophet der Häme, dem ebenso Motive eines Revanchismus nicht in den Sinn kämen, wie ihm aber auch keine protagonistische Ambitionen eines (künstlerisch-intellektuellen) Revisionismus zu unterstellen wären ……

Das macht ebenso seine Werke so relevant, historisch wie aktuell.

Christian Boltanski, Kunst Station Sankt Peter,Köln
Christian Boltanski, Kunst-Station Sankt Peter,Köln

Mit Personnes sah er eine Chance der Fortführung des begonnenen Projekts Les archives du coeur.

Christian Boltanski, „Les Archives du Cœr“ (détail), Monumenta, Grand Palais, Paris

Aufgefallen sind seine Arbeiten nicht nur, weil er mehrfach Teilnehmer der documenta (5., 6. und 8.) war oder im französischen Pavillon anlässlich der L’Esposizione Internazionale d’Arte, La Biennale di Venezia (2011) ausgestellt wurde (Commissaire  Jean-Hubert Martin).

Christian Boltanski, Pavillon de France, Esposizione internazionale d'arte di Venezia, Venise
Christian Boltanski, Pavillon de France, Esposizione internazionale d’arte di Venezia, Venise

Shanghai – Stage Memory

Die in Shanghai, Power Station of Art http://powerstationofart.com/cn/  – http://powerstationofart.com/en/ , sehende Exposition war keine Neuauflage von Personnes. Das wäre in vielerlei Hinsicht auch unmöglich bis unsinnig gewesen.
Die Power Station präsentierte Christian Boltanski erstmalig in China: Monographie und Rétrospective – http://www.powerstationofart.org/en/exhibition/Christian-Boltanski-Storage-Memory.html .
Jean-Hubert Martin führte Boltanski’s Werke zusammen. Storage Memory beinhaltete unter anderem Installationen, Sounds und Videos – auch das in Paris damals erlebte Les archives du coeur.
Diese umfangreiche Kunstausstellung war zugleich Teil des Croisements-Festivals 2018  http://www.chinatoday.com.cn/ctfrench/2018/tt/201804/t20180413_800126979.html  – gefördert von der französischen Botschaft in China und unterstützt vom Institut français http://www.institutfrancais-pekin.com/fr und der Fondation Cartier pour l’art contemporain https://www.fondationcartier.com .

Paris – Faire son temps
 

Christian Boltanski findet nun mit der zu erlebende Rétrospective im Centre Pompidou  Würdigung: https://www.centrepompidou.fr/cpv/agenda/event.action?param.id=FR_R-923dc3544a7f9d4b17cd6b64be8382ed&param.idSource=FR_E-923dc3544a7f9d4b17cd6b64be8382ed

Der Titel der grossartigen Exposition  Faire son temps ist interpretationswürdig. ….

Seine Zeit absitzen, lässt unterschiedliche Schlüsse zu. Man kann die Zeit absitzen durch Passivität und Ignoranz der Verhältnisse. Man kann die Zeit  absitzen, um auf das Lebensende zu warten. Man kann die Zeit „absitzen“, indem man sie beobachten und reagiert.  Zum letzteren Moment gehört er.

Boltanski sieht sich aber nicht in einer abwartenden Position. Dazu investiert er in seine Kunst so viel Energie, Gefühle und Hoffnung, sodass bei Betrachtung der Werke neben einer Betroffenheit zugleich sich zugleich auch Mut einstellt. Das Centre Pompidou zeigt nun den so wichtigen Artisten und präsentiert ein aussergewöhnliches Lexikon, in dem es sich wahrhaft lohnt zu lesen – in dem Leben von Christian Boltanski. Die Ausstellung wurde von Bernard Blistène in Kooperation mit Annalisa Rimmaudo kuratiert.

Christian Boltanski – art das Kunstmagazin – Heinz Peter Schwerfel
 
art das kunstmagazin, Januar 2020
© art das Kunstmagazin, Januar 2020, Titel ( détail)
Wie kein anderer findet Heinz Peter Schwerfel die Nähe zu Kunstschaf-fenden und deren Werken. Zuletzt noch gelang dem bekannten Cinéaste http://www.artcorefilm.com/ ein einfühlsames Portrait über Sophie Calle in der Juli-Édition von art.
Jetzt in der Januar-Ausgabe der wichtigen Kunst-Publikation art das Kunstmagazin https://www.art-magazin.de  nimmt Schwerfel als Anlass für seinen grosszügig illustrierten (Photographien von Stephanie Füssenich) Text die Christian Boltanski-Rétrospective im Centre Pompidou http://www.centrepompidou.fr , wobei der Artikel weit, weit über die Grenzen eines regulären Ausstellungsberichts hinaus geht. Es ist ein Portrait, eine feine, eine intime Biographie des äusserst bedeutenden  Artisten ….
Zur Expostion  erscheint ein Katalog, umfangreich illustriert – ein Archiv der Kunst des Christian Boltanski. 
 
Christian Boltanski – Rendez-vous mit Heinz Peter Schwerfel, art das Kunstmagazin, Januar 2020 (jetzt erschienen)
 
Christian Boltanski : Faire son temps – Centre Pompidou (Galerie 1),  bis 16.März 2020
 
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Täglich ausser Dienstag 11h bis 22h 
 
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